Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 14 / III / 2000

NEUE ENTDECKUNGEN IN ROM

Von all den archäologischen Entdeckungen, die in den letzten beiden Jahren in Rom gemacht wurden, hat das Auffinden des Freskos mit dem Abbild einer antiken Stadt das größte Echo in den internationalen Medien gefunden. Sogar der sonst der Archäologie nicht sehr nahestehende ORF hat in seinen Nachrichtensendungen darüber berichtet. Seit 1848 hat auch in Rom selbst kein antikes Fresko so großes Interesse hervorgerufen, als in der Via Graziosa (heute Via Cavour) die heute in den Vatikanischen Museen aufbewahrten augusteischen Malereien mit Landschaften ans Tageslicht kamen, die voll mit Szenen sind, die von der Odyssee inspiriert sind.
Kaiser Nero ließ die domus aurea auf dem Gebiet errichten, das durch den großen Brand von 64 verwüstet wurde. Sein Palast erstreckte sich von den Abhängen des Esquilin bis auf den Palatin. Die Senke zwischen Oppius (einer der beiden Gipfel des Esquilin) und dem Palatin war topographisch gut zur Anlage eines Sees geeignet, zu einer künstlichen Anlage, denn in der Ausgrabung zwischen dem Kolosseum und dem sogenannten Konstantinsbogen [1] kamen Fundamentreste von Wohnhäusern aus republikanischer Zeit zu Tage.

Abb. 1: Exedra der Trajansthermen (Photo Verf.)

Nero ließ die Räume seines Palastes, dessen Reste seit Juni 1999 für die Öffentlichkeit zugänglich sind (die zu überwindenden bürokratischen Schwierigkeiten sind nicht unerheblich), von dem Maler Fabullus, einem Snob, dekorieren. Von ihm ist bekannt, daß er in der Toga auf das Gerüst stieg, um die Wände und Decken zu dekorieren.
Dem Brand des Jahres 104 fiel auch die domus aurea zum Opfer. Kaiser Trajan beauftragte den Architekten Apollodorus von Damaskus mit der Errichtung einer riesigen Thermenanlage, die fast 10 Hektar Grundfläche messen und einen Großteil des Oppius zwischen dem (mittlerweile erbauten) amphitheatrum Flavium vulgo Kolosseum und der subura, einem dichtbesiedelten Stadtviertel, bedecken sollte. Diese Thermen wurden also mit ihrem Südteil, der zum Kolosseum hin orientiert ist, über der ehemals prunkvollen Residenz Neros errichtet und benutzten deren Mauern als Substruktionen. Auf diese Weise haben sich manche dekorative Malereien des "Goldenen Hauses" erhalten.

Abb. 2: Lageplan der Trajansthermen (nach R. Lanciani, Forma Urbis Romae [1989])

Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich in den Ruinen der Therme eine Salpeterfabrik eingenistet, genauer gesagt in der großen Exedra (Abb. 1-2), die die südwestliche Ecke der Thermenanlage bildet. Seit Auflassung der Fabrik wurde der lange unterirdische Gang (Abb. 3) bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts zum Abladen von Erdreich benützt. Die Antikenverwaltung der Gemeinde hat nun die Entleerung dieser Kryptoportikus in Angriff genommen, um in weiterer Folge mit der Restaurierung, Trockenlegung und Wiederherstellung der Mauern der darüberliegenden Therme beginnen zu können.

Abb. 3: Kryptoportikus unter den Trajansthermen (Photo Verf.)

Abb. 4: Fresko mit Stadtansicht (Photo Verf.)

Völlig unerwartet ist nun bei dieser wenig Aufsehen erregenden Arbeit eine in die Substruktionen einbezogene Mauer der domus aurea freigelegt worden, und das großartige Fresko wurde sichtbar (Abb. 4). Es zeigt eine aus der Vogelperspektive gesehene Stadt, die von einem turmbewehrten Mauerring umgeben wird. Das neun Quadratmeter große Fresko datiert aus der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus und ist mit einer derartigen Ansicht etwas Einzigartiges.
Von all den Emotionen abgesehen, die dieser Fund weltweit ausgelöst hat, ist er auch von großem wissenschaftlichen Interesse [2]. Die Veduten, die wir aus der pompejanischen Wandmalerei kennen, zeigen Teile von Panoramen, die sich, ähnlich Sinnestäuschungen, zwischen den phantastischen, auf die Wände gemalten Architekturen öffnen. Auch sollen die Malereien des 3. Jahrhunderts in der großen Villa unter der Kirche S. Maria Maggiore in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, die Landschaften mit Häusern und bäuerliche Tätigkeiten zeigen. Ein noch späteres Beispiel ist die große Mosaiklandkarte von Madaba in Jordanien, die aber nur auf sehr summarische Weise eine Reihe von Städten zeigt.
Verloren sind jene Bilder, die diesem Fresko besser entsprochen haben. Wir kennen Beispiele aus der Literatur, nämlich Bilder der eroberten Städte, die die Generäle der späten Republik im Triumph mitzuführen pflegten. So verfuhren der ältere Scipio und Scipio Asiaticus. Aemilius Paulus [3] brachte einen Maler von mondänem Ruf, Metrodorus aus Athen, mit, offenbar um auf ebensolche Weise seine Siege zu illustrieren. Lucius Ostilius Mancinus [4] zeigte im Wahlkampf ein Bild auf dem Forum Romanum, auf dem sein Eindringen in einen Vorort von Karthago zu sehen ist.
Das Fresko [5] unter den Trajansthermen muß daher als äußerst anspruchsvolles Werk angesehen werden, sowohl der Dimensionen wegen, als auch auf Grund der Wahl des Sujets. Man kann eine mit Türmen bewehrte kreisförmige Stadtmauer erkennen, einen strahlend blauen Fluß außerhalb der Mauer, über den eine befestigte Brücke führt. Innerhalb der Mauer befindet sich ein großes Theater (Abb. 5), dessen cavea sich zum Fluß hin öffnet, dahinter ein Tempel mit einer Statue des Apollo mit der Kithara. Vom Bühnengebäude des Theaters weg erstreckt sich ein Areal mit Säulenhallen, daran schließt eine Wohngegend an, dann folgt ein Palast, eine Art Akropolis. Angesichts einer so detailreichen Darstellung drängt sich natürlich die Frage auf, ob es sich hier um die Darstellung einer wirklichen Stadt handelt. Einige römische Archäologen haben sofort den Vorschlag gemacht, in der Abbildung die Stadt Rom zu erkennen, der Gedanke dürfte aber eher dem Herzen als dem Hirn entsprungen sein. Im Theater kann nicht das Marcellustheater zu sehen sein, das liegt nämlich in Relation zum Fluß genau umgekehrt orientiert, der Apollotempel könnte der Sosianustempel sein, warum fehlt aber dann der benachbarte Bellonatempel? Andere haben vorgeschlagen, bestärkt durch die Ähnlichkeit mit Lorenzettis Fresko des Buon Governo aus dem 14. Jahrhundert (im Palazzo Pubblico in Siena), in diesem Bild eine ideale Stadt zu sehen.

Abb. 5: Detailansicht des Freskos (Photo Verf.)

Weitaus interessanter aber ist der Vorschlag des Sopraintendenten der Gemeinde Eugenio La Rocca, den dieser bei der ersten öffentlichen Vorstellung des Freskos gemacht hat: das Fresko ist auf einer Wand, die Teil einer großen Porticus gewesen sein muß. Was liegt also näher als die Annahme, daß hier eine ganze Reihe römischer Städte in ähnlicher Weise abgebildet waren? Die symbolische Darstellung von Städten oder Völkerschaften des Imperiums war ein Thema, das sich in der offiziellen Kunst der frühen Kaiserzeit großer Beliebtheit erfreute (Personifikationen auf dem kleinen Fries der Ara Pacis, auf dem Augustusforum, oder die große Widmung der 14 Städte Kleinasiens an Tiberius auf dem Caesarforum).
Es könnte sich also, folgt man den Argumenten von La Rocca, um einen großen Zyklus mit Darstellungen der verschiedenen unter dem Schutz des Kaisers vereinten Städte des Reiches handeln. Und tatsächlich wurde erst vor kurzer Zeit eine Kamera durch eine Öffnung in der Wand geschoben, um die Rückseite erforschen zu können. Auch hier erkennt man ein großes Fresko. Für weitere Überraschungen ist gesorgt.

Eine andere topographische Feststellung hat wie ein gewaltiges Erdbeben [6] in Rom für Aufmerksamkeit gesorgt. Es ist nun amtlich, daß das Trajansforum auf den archäologischen Plänen umgedreht werden muß, sozusagen um die Säule herum, die Gott sei Dank auf ihrem Platz stehengeblieben ist.
Das Forum, von Kaiser Trajan zwischen 107 und 113 erbaut, durchschneidet den Sattel, der den Quirinal und das Kapitol verband. Es bestand aus einem großen Platz, der das eigentliche Forum bildete, aus einer Basilika, einem überdachten Raum mit den unglaublichen Ausmaßen von 170 x 60 Metern, und aus zwei Bibliotheken, eine für Bücher in lateinischer Sprache, die andere für griechische Werke, an den beiden Seiten der Säule angeordnet, die auf ihren 30 Metern Höhe die beiden siegreichen Kriege pries, die der Kaiser gegen die Daker geführt hatte. In diesem Bereich sollte sich auch der Tempel befinden, der dem nach seinem Tod divinisierten Trajan geweiht war. Es war dies das einzige Denkmal, auf dem sein Adoptivsohn und Nachfolger Hadrian seinen eigenen Namen hinterlassen hat, wir kennen jedoch nichts, was davon übrig ist.
Freigelegt waren bis vor kurzem nur das Areal der Basilika und die Säule, die sich vor dem Hintergrund der Trajansmärkte erhebt. Nordwestlich der Säule liegt der Palazzo Valentini, der Sitz der römischen Provinzverwaltung. Und darunter haben alle damit befaßten Publikationen - angefangen von Ligorio in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zu der riesigen dreibändigen Monographie, die Prof. Packer eben erst veröffentlicht hat - den Tempel des Divus Traianus angenommen. Diese Hypothese hatte gute Gründe: wiederholt hatte man unter der zum Forum schauenden Fassade des Palazzo Valentini mehrere kolossale Granitsäulen von gut 14 Meter Höhe und fast 2 Meter Durchmesser gesichtet. Eine davon liegt mit ihrem riesigen Kapitell hingestreckt im Areal der Basilika. Auf der gegenüberliegenden Seite des Forums, im archäologisch nie untersuchten Grenzbereich zum Forum des Augustus, vermutete man den monumentalen Eingang zur Anlage.

Abb. 6: Therme unter Palazzo Valentini (Photo Verf.)

Nun haben sich die römischen Archäologen genauer mit den Kellern der angrenzenden Palazzi und der Kirche SS. Nome di Maria auseinandergesetzt. Augenschein und Bohrungen haben keine Spur eines Sockels, der einen Tempel tragen könnte, erbracht, im Gegenteil, man hat Mauern eines Wohnviertels in diesem Bereich gefunden [7]. Daß sich unter dem Palazzo Valentini die Reste einer kleinen, offensichtlich privaten Therme (Abb. 6) finden, haben wir anläßlich der Exkursion des Instituts schon 1989 festgestellt. Die kolossalen Säulen müssen also zu einem Monumentaleingang gehören, der Haupteingang war also hier im Norden, von der Seite des Marsfelds her, und nicht von den anderen Foren. Roberto Meneghini, der Archäologe der Stadt Rom, hat sich bei einem Vortrag im Deutschen Archäologischen Institut in Rom nur sehr vorsichtig dazu geäußert, wo denn nun der Tempel zu suchen sei. Demnach sprachen viele Indizien dafür, den Tempel auf der gegenüberliegenden Seite zu suchen, in der Mitte der den großen Forumsplatz abschließenden Mauer. Bei dieser neuen Rekonstruktion erinnert der Grundriß frappant an den des älteren und kleineren Augustusforums, das sich hinter dem Tempel des Divus Traianus öffnen würde.

Abb. 7: Trajansforum (Photo Verf.)

Mittlerweile ist nahezu der gesamte Park zwischen der Via dei Fori Imperiali und den schon ausgegrabenen Teilen der Kaiserforen abgetragen und bis auf das kaiserzeitliche Niveau ausgegraben. Dort wo der Tempel vermutet wurde, liegt ein von Säulenhallen umgebener Hof (Abb. 7). Die Frage der Lokalisierung des Tempels ist also noch immer nicht geklärt.

[1] P. Liverani, il Sole 24 Ore, 17.10.1999.
[2] P. Liverani, il Sole 24 Ore, 8.3.1998.
[3] Plin. nat. 35, 135.
[4] Plin. nat. 35, 23.
[5] Internet: www.comune.roma.it/cultura/uffmonsc/affres02.jpg oder www.comune.roma.it/cultura/italiano/monumenti/scavi_scoperte/index.htm.
[6] P. Liverani, il Sole 24 ore, 16.11.1997.
[7] R. Meneghini, RM 105, 1998, 127-148.

© Wilfried Greiner, Wien

This article will be quoted by W. Greiner, Neue Entdeckungen in Rom, in: Altmodische Archäologie. Festschrift für Friedrich Brein, Forum Archaeologiae 14/III/2000 (http://farch.net).



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