FRÜHBYZANTINISCHE BAUORNAMENTIK IN KARAKUYU BEI LIMYRA (LYKIEN)
Fragmente eines Altar-Ciboriums



Seit 1993 führt ein Team der Grabung Limyra (Südwesttürkei) jährlich eine Geländebegehung auf dem Bonda Tepesi durch (vgl. die Vorberichte von A.Konecny-Th.Marksteiner, in den Kazi Sonuçlari Toplantisi [1994ff.] sowie in ÖJh 66, 1997, Beibl. [im Druck]). Dabei konnten im Zuge von Aufnahmearbeiten in der Ortschaft Karakuyu, einer Siedlung in etwa 650m Seehöhe auf einem Hügelrücken westlich von Finike, unter anderem eine byzantinische Zisterne sowie eine spätantike Basilika näher untersucht werden (vgl. A. Pülz, Zur byzantinischen Bebauung von Karakuyu bei Limyra (Lykien). MiChA 1 [1995] 60ff.).

Bei der Kirche handelt es sich um einen dreischiffigen, geosteten Bau mit vorgelagertem Narthex. Die Apsis wies mit ihrer rechteckigen Ummantelung einen für die spätantiken Kirchen Lykiens eher seltenen Ostabschluß auf. Zweistöckige Räumlichkeiten flankierten sowohl im Norden als auch im Süden die Seitenschiffe, die über Emporen verfügten. Bei der Errichtung der Basilika hat man teilweise auf Vorgängerbauten zurückgegriffen und zumindest deren Hauptfassaden weiterverwendet. So trennte eine Wand aus großen Steinquadern das Kircheninnere vom Narthex, während die übrigen Mauern der Anlage aus Bruchsteinen mit wenig Mörtel bestanden.


Abb. 1: Kapitell aus der Kirche
Sowohl im Inneren der Kirche als auch in ihrer näheren Umgebung fand sich im Versturz eine Reihe von Architekturfragmenten, die auf eine ehemals reiche Innenausstattung des Baues schließen lassen. Neben einem korinthischen Kalksteinkapitell mit windgeblähtem Akanthus (Abb.1) sind etliche Fragmente verschiedener Säulenschäfte sowie durchbrochener Transennen- und Verkleidungsplatten zu erwähnen. Besonders hervorzuheben sind aber die zahlreichen Bruchstücke aus hartem, lokalem Kalkstein, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Altarciborium gehört haben. An allen Fragmenten ist die qualitätvollere Ausarbeitung der Schau- gegenüber den Rückseiten deutlich zu erkennen, an denen die Ornamentierungen nur sehr flach und schemenhaft ausgeführt sind.
Ein Eckfragment (Abb.2, Inv.Nr. Li 96 KK 601 Bo 1) von 83cm Länge, 45cm Höhe und einer Stärke von 19cm zeigt auf seiner Vorderseite eine teilweise erhaltene griechische Inschrift mit der Nennung des hl. Nikolaos und zweier Stifter (?) - und zwar eines Georgios und eines Anastasios. Unter einem 5cm breiten Akanthusfries und einer Perlstabreihe findet sich die Darstellung eines Vogels neben einem Kreis, dem ein durchbrochenes 'Malteser'-Kreuz eingeschrieben ist. Darunter sind drei weitere, unterschiedlich breite Ornamentstreifen (Weinranken und -reben etc.) zu erkennen, die der Rundung des Bogens, dessen Radius 100cm beträgt, folgen. Während auf der Unterseite des Fragmentes ein sehr qualitätsvoll gearbeitetes, von Perlstäben gerahmtes Akanthusband zu finden ist, schmückt ein kaum mehr als in seinen Konturen umrissener Pfau zwischen Akanthusblättern die Rückseite (Abb.3).



Abb. 2 - 3: Bogenfragment des Ciboriums
Vorder- und Rückseite


Abb. 4: Bogenfragment des Ciboriums
Ein weiteres Eckfragment (Abb.4, Inv.Nr. Li 96 KK 601 Bo 2) mit einer erhaltenen Länge von 55cm, einer Höhe von 72cm und einer Stärke von 19cm zeigt im Zwickel seitlich über dem Bogen unter einem 6cm hohen Akanthusband zwei Pfaue, die einen stilisierten Kelch flankieren und aus diesem zu trinken scheinen. Auch hier folgen drei unterschiedlich ornamentierte Bänder der Rundung des Bogens.
Die Verzierungsmotive - wie z.B. die Akanthusblätter, die Weinranken und die Trauben, die Perl- und Eierstäbe etc. - wiederholen sich beinahe an allen sichergestellten Fragmenten, doch variieren sie vielfach in ihrer Anordnung. Sowohl die Ornamentierung als auch die Bearbeitungstechnik der erhaltenen Ciboriumsfragmente weisen - wie auch das erwähnte Kapitell (Abb.1) - große Ähnlichkeiten mit der Bauornamentik der kirchlichen Anlagen von Alakilise, Alacahisar, Karabel oder auch Muskar auf. Diese wird einer lokalen Werkstatt zugeschrieben, die für zwei bis drei Generationen im Hinterland Myras - und zwar vornehmlich im Gebiet des Alaca Dag gearbeitet haben soll. Außerhalb dieser Region konnte bislang lediglich in einem Ort an der Küste, in der Metropolis Myra, und im Hinterland nur noch in der Hochebene von Elmali Bauornamentik nachgewiesen werden, die diesem Atelier zugeordnet werden kann. Ein Vergleich seiner Arbeiten (vgl. allgemein dazu R.M.Harrison, Churches and Chapels of Central Lycia. ASt 13, 1963, 117ff.; dens., A Note on Architectural Sculpture in Central Lycia. ASt 22, 1972, 187ff. sowie dens., Upland Settlements in Early Medieval Lycia, in: Actes du colloque sur la Lycie antique. Istanbul 1977 [Paris 1980] 109ff.) mit jenen von Karakuyu bei Limyra legt die Vermutung nahe, daß der Wirkungsbereich der besagten Werkstatt größer gewesen sein muß, auch wenn nicht zu klären ist, ob die Bauornamentik der Kirche vor Ort gearbeitet oder aus dem nahegelegenen Gebiet des Alaca Dag importiert wurde.

Aufgrund der zahlreichen Vergleichsbeispiele im lykischen Küstenhinterland kann zumindest die Ausstattung der Basilika von Karakuyu - der antike Name der Siedlung ist nicht bekannt - in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts datiert werden, während über den Bau keine konkreteren Angaben möglich sind. Der Versturz im Inneren des Gebäudes - einige der monolithen Pfeiler stehen teilweise noch aufrecht - deutet auf ein abruptes Ende der Kirche hin, eventuell während eines Erdbebens, wie es für die erste Hälfte des achten Jahrhunderts angenommen wird. Ob der Bau nach diesem zumindest teilweise und notdürftig wieder instandgesetzt wurde, ist unbekannt, der Versturz weist jedenfalls darauf hin, daß man im Mittelalter nicht - wie so oft (vgl. die zahlreichen Beispiele bei U.Peschlow, Spuren des byzantinischen Mittelalters in Lykien, in: J.Borchhardt - G.Dobesch (Hrsg.), Akten des II.intern.Lykien-Symposions. Wien 1990, 2 [1993] 59ff.) - eine kleine Kapelle in die zusammengefallene Basilika setzte.

1996 wurden die Fragmente des Altarciboriums mit Lasteseln und Mulis aus Karakuyu nach Limyra in das Depot gebracht, um sie vor weiterer umweltbedingter Verwitterung und mutwilliger Beschädigung zu schützen.

© A. Pülz

Dr. Andreas Pülz, Balkan-Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Postgasse 7/4/1, A-1010 Wien
e-mail: fcha.klass-archaeologie@univie.ac.at


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